Der Weg zum Wir zurück

Lesezeit: 10 min.

Es ist just Weihnachten gewesen. Ein Fest, dass wie kein anderes alle Gefühle hochholen kann. Es sitzt nämlich die Vergangenheit mit im Raum, Freude neben Enttäuschung, Trennung neben Verbundenheit.

Gefühlt kann jede*r von Situationen oder Begegnungen erzählen, die “man halt so (hin)nehmen muss”, obwohl sie für Disharmonie sorgen. Es ist ja schließlich Weihnachten, da reißt man sich zusammen.

Für mich sind diese Tage jedes Jahr DIE Prüfung, wie erfolgreich ich bestimmte Bewusstwerdungsprozesse schon durchlaufen haben, wie sehr etwas integriert ist, wie sehr die Vergangenheit noch an mir klebt, wie gut ich mein Zentrum bei mir halten kann, welche Triggerpunkte noch heiß sind etc. Spiegel über Spiegel. Dieses Jahr war es tatsächlich anders. Nicht die Spiegel, sondern meine Präsenz und Reflektionsschnelligkeit. Und heute kann eine Erkenntnis sinken - und da lässt gerade die Kerze auf dem Buddha das ganze Wachs auf dem Boden fließen - läuft ;).

Die Box rebelliert, bevor sie sich in Luft auflöst.
Friede sei mit dir!

Ich stehe am heiligen Abend alleine in der Mitternachtsmesse. Nachdem ich mit meinen Eltern den Abend eröffnet und meiner Oma noch die Hand geschüttelt habe, erlebe ich mich, mit geschlossenen Augen die Stille genießend. Der Weihrauch ist sehr präsent. Reinigung, damit das Licht einfallen kann. Ich denke, dass die junge Frau, die den ganzen Abend den Weihrauch schwenkt, anschließend entweder erleuchtet sein müsste oder in tiefe dunkle Reinigungsprozesse eintaucht. Schließlich ist für die Christen die heilige Nacht die dunkelste Nacht des Jahres. Der Pastor erzählt von der Wertschätzung über die Nachtwache und dass es Menschen geben muss, die diesen Raum halten, damit andere metaphorisch durch ihre dunkelste Nacht schreiten können. “Und am Ende funkelt immer ein Leuchten. Fürchtet Euch nicht.”

Plötzlich kommt die Erinnerung zu mir zurück, dass ich in der Weihnachtsmesse 2014, vor meinem anschließenden Befreiungsschlag 2015, dort stand und kaum Luft bekam - vielleicht wegen des Weihrauchs, vielleicht wegen der dunkelsten Nacht (in mir)?

Mein Körper reagiert in diesem Moment, 2023, mit Enge im Hals. Aha, die Energie ist noch in meinem System. Ich beobachte das und summe fleißig die Lieder mit, um im Hier und Jetzt zu bleiben. Ich möchte mir diesen dunklen Raum halten. Irgendetwas lässt mich meine Augen öffnen und nach rechts schauen. Die Mutter in der Bank vor mir ist nervös. Ihre jugendliche Tochter hatte sich hingesetzt. Im selben Moment ertönt aus dem Lautsprecher: “Friede sei mit dir!” Ich schüttele dem jungen Mädchen links direkt neben mir ihre kraftlose Hand. Ich wende mich zurück nach rechts und die jugendliche Tochter wird ohnmächtig. Die Mutter schaut mich angsterfüllt an und sagt: “Kann mir jemand helfen?” Es ist sehr klar an mich adressiert. Ich berühre das Mädchen und sie kommt zu sich, kann ihre Füße bewegen, ich begleite sie ein Stück raus aus der dichten Menge und die Familie verschwindet aus der Kirche.

Ich setze mich in die nächste Bank zurück, um nicht weiter zu stören, tatsächlich genau dort, wo die Familie saß. Mein Herz rast. Und schon geht es los zur Kommunion, meine Beine zittern, alles geht gerade so schnell. Auf dem Rückweg begebe ich mich wieder zurück auf meinen ursprünglichen Platz, was plötzlich für Chaos sorgt. Ein Stau entsteht, Verwirrung ist spürbar. Die zwei Frauen, die anfangs neben mir saßen, wollten partout in die Reihe hinter mir, was ja nicht der alten Ordnung entsprach.

Ok, not my business. Ich kehre in mich, versinke mit der Hostie und bin dieser jungen Frau, die soeben ihre Fassung verloren hat, unfassbar dankbar. Mein Körper zittert kurz, Beine und Herzraum, und die Enge löst sich auf. Die Energie der Vergangenheit, die Angst von damals, hat sich gerade in Materie verwandelt und aufgelöst. HOLY SHIT! Das nächste Lied ertönt und ich verlasse die Kirche, im Anblick aller (das war zumindest mein Gefühl).

Wir sind alle miteinander verbunden,
auch wenn wir uns trennen!

Ich fahre zurück zu meinen Verwandten. Ich bin immer noch aufgewühlt und erzähle die Geschichte (und tue sie auch etwas ab). Wir lachen und knüpfen an anderen Geschichten an. In mir beruhigt es sich und ich fange an den Raum bewusst zu beobachten. Aus heiterem Himmel gibt es dann wieder eine Aktivierung, Bewegungen und interessante Gefühlsfelder im Raum - der Groll hat Platz genommen, die schattenhafte Seite der Wut. Es geht wieder alles ziemlich schnell. Die Erinnerung an den Groll steigt mir durch das physische Erleben in meinem Körper so klar ins Bewusstsein. Ich beobachte fasziniert und völlig wach dieses Geschehen. Ich halte quasi Nachtwache und bleibe zentriert, um mich nicht mit wirbeln zu lassen. Die wichtigste Aufgabe gerade. Es scheint mir als wenn eine höhere Ordnung den Raum betreten hat, ähnlich wie in der Kirche. Was für ein urkräftiger Zauber. Ein riesen Spiegel macht mein inneres Erleben sichtbar.

Ich nehme wahr, was der Groll tut: er erzeugt Trennung mitten im Verbindungsgeschehen! Herz auf, Herz zu. So dicht! In your face. Göttlich, dass es an die Oberfläche kommt, um lichter zu werden. Großartig, wenn man es mitbekommt, während man Teil davon ist. Und auch herausfordernd und schmerzhaft. Ist das die Lebendigkeit, die man ins Leben einladen soll? Das Gegenteil von Unterdrückung und Starre? Ich denke schon.

Ziemlich klar erkenne ich, dass wir alle miteinander verbunden sind und dass es sinnlos ist, in diesen blitzschnellen Momenten zu erforschen, wo der Ursprung dieser Energie ist, um mich womöglich davon zu lösen. Unmöglich in dieser Lichtgeschwindigkeit, vielleicht auch unmöglich mich davon zu lösen. Wirklich entscheidend ist: wie ich mich verhalte, so dass ich mich nicht durch meinen Triggergremlin wie einen Stier an der Nase durch die Arena führen lasse, sondern von meinem Zentrum aus das Geschehen beobachte und (wenn überhaupt) Impulsen folge. Das hier muss jetzt geschehen, um eine neue Ordnung einzuleiten und ICH kann gerade entscheiden, ob das Feuer angefacht wird oder erlischt. Das Alte geht mit einem Donnerschlag und macht Platz für das Neue, was auch immer das ist und bewirkt. Nach ca. 20 min. hat es sich beruhigt.

Clarissa Pinkola Estés beschreibt Es in ihrem Buch “Die Wolfsfrau” ganz eindrücklich:

“So finden Transformationen statt, so wird das eine mit dem anderen gekreuzt. …Das Selbst muß keine Berge versetzen, um sich zu transformieren. Ein bißchen Umwandlung hier und dort genügt. Ein paar Veränderungen an der richtigen Stelle bewirken große Dinge, denn die Befruchtungsenergie erspart uns das mühsame Berge-Verrücken.”

So unfassbar faszinierend. Danke Leben für diese Magie und Synchronizitäten!

Die ewige SehnSuche nach Verbundenheit

Die Sehnsucht von uns Verbindungswesen und der Wille nach Kohärenzerfahrungen unseres Hirns erzeugt die ganze Zeit Bewegungen hin zum Verbundenheitserleben. Dafür gehen wir auch durch unsere dunkelsten Nächte. Meine Sehnsucht war 2015, den Weg zu mir zurück zu finden, um zu verstehen, wer ICH wahrhaftig bin, wo ich mich unnatürlich anpasse und zu wem ich eigentlich gehöre. Dafür brauchte ich viel Abstand und viel Ich-Erleben. Und egal ob ich auf der anderen Seite der Erde war, ich war stets verbunden mit meiner Vergangenheit. Und auch wenn ich das sehr weit wegschob, war es in dieser Zeit einfach wichtig davon Abstand zu nehmen, um auf meinen Seelengrund zu sinken. Eine Zeit lang ist das möglich, aber das ist kein Dauerzustand. Wenn sich etwas ordnen will, tut es das.

Jetzt, 8 Jahre später, habe ich mir bewiesen, dass ich es sehr gut mit mir alleine aushalte, dass ich viele meiner Prozesse selbst halten kann, dass ich immer leichter in mein Zentrum zurückkehren kann - natürlich nach diversen dunklen Nächten. Ich weiß viel mehr, was ich wirklich möchte, warum ich auf dieser Erde zu dieser Zeit inkarniert bin, was meine Gaben sind etc. Die Bilder wie und wo ich wirke sind immer klarer und groß.

Ich kann mich sehr oft richtig gut abgrenzen, wenn ich merke, dass ich in etwas reingezogen werde, was ich gerade nicht möchte, und auch wo es da was für mich abzuholen gilt. Ich kann mich da auch wieder öffnen und Stück für Stück wieder Teil werden, wenn ich mich authentisch zeige(n kann). Ich mute mich viel mehr zu und ich habe tatsächlich viel weniger Angst vor Verbindungsabbrüchen.

Ich bin zu “euch” zurück gekommen

Aus meinem Alleinsein habe ich meine Tentakeln wieder ausgestreckt, bin tiefe Beziehungen eingegangen, habe mein Herz mehr geöffnet und mich getraut wieder zu landen, in Situationen wieder zurück zu kehren, die damals schmerzhaft waren (und einige sind es weiterhin), da ich nicht in einer Blase leben möchte und kein Eremit bin, sondern Teil dieser Gesellschaft, Teil vom Großen Ganzen. Es gibt wie am Heiligabend deutliche Erlebnisse, dass ich wieder viel stärker am Kollektiv angekoppelt bin, dass gemeinsame Prozesse stattfinden, dass die eine für die andere ohnmächtig wird. So will es die höhere Ordnung, die jetzt immer mehr Einzug hält in unser Kollektiv und sich deutlich zeigt, ob wir wollen oder nicht. Und hier ist das Verbindung-Trennung-Spiel sehr wichtig und dann nährend für mich, wenn ich es bewusst bemerke, mich für etwas entscheide.

Ich spüre ganz deutlich, wie mein Herz sich mehr öffnen und meine Seele mehr auf dieser Erde durch mich landen möchte, was eine Voraussetzung dafür ist, meine wahrhaftigen PS auf die Straße zu bringen, meine Bestimmung in Materie zu formen, etwas zu gestalten, im wilden Lebensfluss zu baden. Und da erlebe ich eben auch bewusst gemeinsame (kollektive) Prozesse. Das ist nicht immer leicht, weil es starke Energien sind. Dafür brauchte und brauche ich (immer wieder) erstmal Bereitschaft, inneren Raum und Stabilität. Da will etwas unbedingt gesehen werden - durch mich, durch uns. Das Sichtbarkeitsspiel hat an Fahrt aufgenommen.

Durch das Erleben, dass ich (immer mehr und öfter und länger) in mir zuhause bin und bleibe, dass meine innere Stabilität gewachsen ist, dass ich richtig viel halten kann und dass ich was Besonderes zu geben habe und wichtig für UNS bin, kann ich in diesem Kollektiv, die die Story of Separation tief in sich trägt, (immer mehr) in Verbindung sein und (immer länger) bleiben. Und wenn ich an meiner urtypischen Position in dieser Dynamik stehe und mich da nicht wegziehen lasse, kann da kollektiv Heilung stattfinden. Das spüre ich sehr deutlich.

Das WIR als Herausforderung

So wie wirklich viele Menschen, die ich kenne, es schwer haben, Selbstliebe zu kultivieren, Raum für sich zu beanspruchen, Kraft zu tanken um wieder geben zu können, ist meine größte Challenge nun, zurück zum WIR zu kommen, ein UNS zu gestalten, Kompromisse einzugehen, Verbindungen zu halten, meine Position immer wieder einzunehmen und eine Vibration auszustrahlen. Ich bin in meiner Partnerschaft in diesem Jahr diverse Tode gestorben, weil ich geblieben bin. Ja das waren sehr dunkle Nächte, Sterbeprozesse von alten Mustern und egoistischen Anwandlungen. Und nicht nur da, sondern auch in meinem Freundschaftsraum und in meiner Familie. Wenn ich nicht weiter alleine durch die Welt wandeln will, wenn ich mehr Liebe um mich spüren möchte, und wenn ich aus meinem authentischen Selbst zum Großen Ganzen beitragen will (und soll), muss ich da durch und da bleiben… und die andere Seite ebenso. Das ist wahrlich eine harte Prüfung. Ich bin bereit, ich habe mich gestärkt! Denn Enttäuschungen und Umstöße sind vorprogrammiert.

Und alle, die den Menschen hinterher neidern, die auf irgendwelchen Surfbrettern auf Bali die time of their life haben und vor Freiheitsgefühlen strotzen, möchte ich aus Erfahrung mitgeben: auch sie werden den Weg zurück zum wahrhaftigen WIR gehen müssen und ihre äußere Freiheit (kurzfristig) aufgeben, wenn sie ihre eigentliche Sehnsucht nach tiefer Verbundenheit stillen möchten.

Wahre Freiheit ist dann erreicht, wenn ICH im WIR so SEIN und BLEIBEN kann, mit allen Pendelbewegungen.
That’s an inside job!

Das ist ein Weg, eine bewusste Entscheidung! Und wahrlich eine riesen Herausforderung.

Mit diesen Erfahrungen und Erkenntnissen und durch das Sinken lassen können in dieser ruhigen Zeit zeigt sich meine Vision im Moment deutlich in drei Worten: CO-KREATION, VERTRAUEN, PRÄSENZ.
Änderungen vorbehalten :) Verkörperung notwendig.

Ich wünsche Dir, dass auch Du Dir zutraust, Deine Welt immer lichter werden zu lassen, um tiefe Verbindung möglich zu machen, um damit einen Dominoeffekt auszulösen.

Von Herzen, Katharina

Katharina Frilling

coaching & facilitation

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