Wahrhaftige Führungskraft

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Die Kraft des Führens beginnt und wohnt in uns selbst. Für mich hat „Führungskraft“ nicht nur etwas mit einer Führungsposition in einem Unternehmen oder einer Organisation zu tun, sondern ganz klar mit der innewohnenden Fähigkeit, das eigene Leben von innen heraus zu führen – und zwar mit allen Höhen UND Tiefen. Heiter scheitern zu können und daraus zu lernen ist zum Beispiel eine der wichtigsten Qualitäten vom wahrhaftigen Führen.

Worst-Case

In meiner bisherigen Arbeitslaufbahn habe ich tatsächlich ausschließlich eine Führung erlebt, die immer nur auf die äußeren Umstände reagiert hat, damit Menschen einen mögen (= people-pleasing-mode), damit das Team läuft, die Familie organisiert ist, der Auftraggeber zufrieden gestellt und das Produkt oder im Bildungsgeschehen auch der Schüler am Ende vorzeigbar ist. „Das muss jetzt laufen!!“

(Das war ganz lange übrigens auch mein Führungsstil. Bis mein Körper mir einen Vogel gezeigt hat.)

Ich habe sehr selten Führungskräfte (hierzu zählen auch Mütter und Väter) kennen gelernt, die nicht in den Funktioniermodus verfallen sind und alle anderen, die an einem „Produkt“ oder „Auftrag“ mit beteiligt sind, mit reinziehen. „Leute, wir müssen da jetzt alle an einem Strang ziehen!“ „Hey, ihr werdet schließlich dafür bezahlt!“

Lebst Du schon? Oder überlebst Du noch?

Was ganz klar auf der Strecke bleibt (bei allen!) mit diesem Führungsstil, ist die Lebensqualität. Denn Aushalten und Funktionieren ist ganz klar der Überlebensmodus. DAS ist nicht Leben, sondern DAS stumpft ab und macht auf Dauer krank, weil es enorm viel Ressourcen zieht. Da kann man sich das Geld am Ende in den Allerwertesten schieben. Zumal das Geld auch nicht fließen kann, wenn man nicht im Lebensfluss steht.


Gelingende, nährende, stabile Beziehungen, die eine regenerative Atmosphäre kreieren könnten, fallen hier auf ausgetrockneten Boden. Gute Leute, starke Partner können sich hier nicht ansiedeln. Es kommt zu Enttäuschungen, was zu weiterem Frust und Groll wächst, was gerne an den „Unterstellten“ ausgelassen wird. Der Funktioniermodus wird also noch eine Stufe Richtung Panikzone hochgefahren – der Teufelskreis ist kreiert, das Nervensystem massiv angegriffen und schwups ist die Gesellschaft voll von entkräfteten, desillusionierten und orientierungslosen Menschen, die „innere Wahrheit und Weisheit“ und die „menschliche Urkraft“ als esoterischen Kram bezeichnen. HOLY SHIT!

Oha, da bin ich ganz schön schnell in die Tiefe geraten. Und da spüre ich gerade richtig Wut und Frust in mir, wenn ich mich an meine Erschöpfungszustände im Anstellungsverhältnis erinnere - und ich anschließend immer wieder auf unseren Sozialstaat zurückgreifen musste, um mir Regenerationszeit zu ermöglichen (oder zu erschleichen eher gesagt). Damals habe ich diese Wut entweder gegen mich gerichtet, mich als Opfer gesehen, viel für andere gemacht und mich in die Erschöpfung gebracht, oder an anderen ausgelassen und auf die Systeme, die Kollegen, die Chefs geschimpft. Sprich im Kampf- und Überlebensmodus. Ich brauchte für mich einige Erkenntnisse, um aus diesem Schatten herauszutreten, denn aus der Opferhaltung konnte ich selber nichts verändern. Die bahnbrechendste und herausforderndste Erkenntnis war:

Ich bin eigenverantwortlich für meine Situation!

… ahhhh unangenehm!

Eine Krise ist die größtmögliche Chance

In die berufliche Selbstständigkeit einzusteigen war zu dem Zeitpunkt (Ende 2020) die größtmögliche Chance, meine Sichtweise zu verändern, mein Frühwarnsystem zu verfeinern, meine Vision zu sehen und mein Feuer für die eine Sache wahrzunehmen. Ich wollte mir die Zeit und den Raum nehmen, wenn ich Zeit und Raum brauchte. Ich wollte mich regenerieren dürfen, wann es dran war. Ich wollte mich führen lernen. Vor allem wollte ich mich auf beiden Beinen stehend wahrnehmen, meine Kraft spüren, den Sinn meines Daseins auf dieser Erde tatsächlich vor Augen haben. Die Entscheidung dazu war allerdings von enorm viel Angst und Unsicherheit begleitet. Bevor ich überhaupt Angebote formulieren konnte, vergingen mehrere Monate. Auf meinem Weg Richtung wahrhaftiger Führungskraft lagen einige staubige Schichten, die sehr viele Überraschungen für mich bereithielten und die Zeit brauchten, gesehen, gefühlt und integriert zu werden. Aber es tat so gut – zu heilen. Ich fühlte mich anders lebendig, mehr aus der Tiefe heraus.

Lichtvolle Wut als Ursprungskraft

Eines Tages in diesem Sommer, so völlig ohne Vorankündigung, spürte ich eine Aktivierungsenergie ganz klar aus dem Becken nach oben steigend. Ich merkte, dass es aus der Wut entsprang, die mich damals in die Erschöpfung gebracht hatte. Jetzt allerdings brachte sie eben eine enorme Schubkraft, Aktivität, Klarheit, Fokus und Commitment mit sich. Auch Rachegelüste und Zerstörungsenergie. Wow, ich lachte laut vor mich hin, der Kanal war also frei geputzt. Diese lichtvolle Seite der Wut ist meine Ursprungskraft, die Schöpferkraft, aus der alles entsteht, die mich nährt. Ich scheine bereit zu sein, sie zu empfangen und zu halten. Das ist ein nächster Meilenstein. Hach, ich bin direkt wieder berührt :)

Und: Ich spüre auch ganz klar die Verantwortung für diese Power, sowohl dieses Licht nicht zu klein werden zu lassen als auch einen Waldbrand zu verhindern ;)

Wenn der Schleier fällt

Wenn ich in dieser wahrhaftigen Führungskraft stehe, spüre ich ganz klar, dass die Menschen dies sofort im Außen wahrnehmen. Dieses Zentriertsein, die Aufrichtung, die Präsenz, die Klarheit im Tun und im Wollen. Es braucht dann kaum noch Worte, weil meine Aura klar davon erfüllt ist. Die Menschen fühlen sich automatisch sicher und geführt. Und das ist sehr anziehend. Ich bemerke, dass dann meine Stimme sogar tiefer, ruhiger und klarer wird. Es fühlt sich leicht an, mit Menschen in Beziehung zu treten, Selbstfürsorge einzuweben, die Aufgaben zu erledigen. Und vor allem: Es macht riesige Freude.

Leichtigkeit, Freude, Wachheit und Schöpfungslust sind klare Anzeichen von wahrhaftiger Führungskraft. Und es wird total klar, dass da Regeneration im Tun entsteht. Es braucht keinen dringenden Urlaub oder eine längere Auszeit. Das Leben findet im Tun statt, es ist ganz natürlich verwoben.

Stell Dir vor, Du kannst das auch erleben

Wenn du das Zentrum, in welches deine wahrhaftige Führungskraft wohnt, bei dir behältst, genau spürst, wo es verortet ist und es gut pflegst, dann wirst du die Welt mit anderen Augen und nicht immer nur in Problemen sehen. Dann bist du fokussiert und sogar von etwas Höherem geführt und weißt, was dir wirklich wichtig ist.

Du führst dann Dein Leben aus Deiner starken Mitte heraus, lebst Deine Potenziale und Träume und surfst die Herausforderungen. Das ist kein Märchen, weil ich es selbst erfahren habe und weiterhin tue - Ich, das jüngste Kind von vieren, das immer nur hinterhergelaufen ist und kaum Selbstverantwortung übernehmen musste.

PS

 Es gibt natürlich Tage, an denen ich meine Mitte nicht wahrnehme, Angst habe, traurig bin, alles in Frage stelle und mit dieser alten, blöden Wunde in Kontakt bin, dass Frauen nicht führen können und weniger Wert sind. Auch das ist wahrhaftig, denn das ist die Lebendigkeit, die Tiefe zwischen den Höhen, der Schatten, der zum Weitermachen und Weiterentwickeln aufruft. Was mir hilft ist die Erfahrung in mir zu spüren, dass ich Leuchten kann und dass es Menschen um mich gibt, die mich daran erinnern.

Katharina Frilling

coaching & facilitation

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