Schmerz ist goldwert

Lesezeit: 7 min.

Lange war meine oberste Priorität und quasi ein Grundbedürfnis von mir, unterwegs zu sein, in den nächsten Zug zu steigen, auf Reisen zu gehen, und am liebsten, wenn es langweilig oder unangenehm oder zu kalt wurde (also ich tue es immer noch, so wie jetzt gerade auf dem Weg von Berlin nach Hamburg, aber eben sehr viel bewusster und ich tauche nun durch die Langweile und die Unruhe erstmal durch). Das Geld, was ich verdiente, steckte ich zum allergrößten Teil in dieses Bedürfnis, was den schönen Nebeneffekt hatte, dass ich insgesamt sehr minimalistisch wurde. Mein Rucksack ist nach wie vor so was wie mein Zuhause, mein Reisebuddy, mit ihm auf dem Rücken fühle ich mich geborgen und so was wie angeschnallt in der Achterbahnfahrt des Lebens. Meine Seele atmet auf, mein Körper wird ganz weich und mein Herz macht riesige Sprünge, wenn die Landschaften vorbeirauschen, wenn es Bewegung gibt.

Genau: Bewegung, nicht Stillstand.

Immer im Fluss bleiben, die Seele mit neuen Eindrücken füttern, Menschen kennen lernen, die da in mir was aufblühen lassen, Orte in mich einwirken lassen. Ende Oktober 2021 stand ich an einem Strand an der Algarve und beobachtete eine große Herde Delphine nah am Ufer vorbeigleiten. Ich fühlte mich so sehr vom Leben beschenkt und ganz klar auf dem richtigen Weg, frei und weit.

Aber die Enge in mir kam immer wieder auf, mein Körper brauchte in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit: Kloß im Hals, ständige Rückenschmerzen, Schwindelgefühle, Unkonzentriertheit. Da ich seit 7 Jahren mein Frühwarnsystem trainierte, wurde es eben auch immer feiner. Mir war es sehr wichtig, den Fokus auf meine Gesundheit zu legen. Es war auch total klar, dass jedes Körpersignal mir etwas mitteilen wollte, dass meine Seele mit mir sprechen wollte. Und somit war ich über Jahre mit dem Aufbrechen, neuen Platz finden, den entstehenden Körpersymptomen nachgehen, und wenn es dann wieder besser war, wieder mit dem Aufbrechen und Ankommen beschäftigt. Sprich eigentlich ein Teufelskreis – ich lief meiner Sehnsucht nach Ankommen hinterher.

Bis zum November 2021. Da stand das Universum plötzlich nicht mehr hinter mir, sondern richtete sich gefühlt gegen mich (was natürlich nicht stimmte, es machte tatsächlich seinen Job). Ich verlor mein WG-Zimmer in Hamburg und absolut alles fühlte sich nach Rausschmieß und Verbindungsabbruch an (das hatte ich bis dato so noch nie erlebt – na gut ich wurde in der Schule ein paar Mal aus dem Unterricht geschmissen ;D). Aber jetzt ganz im Ernst: Ich hatte plötzlich gar keine Handhabe mehr, mir wurde der Teppich unter den Füßen weggezogen und ich schlug ohnmächtig in meiner Heimat auf. Zurück zur Wurzel also… ahh, shit… ich dachte, dass hätte ich bereits ganz bewusst bearbeitet. Das war scheinbar noch nicht tief und gründlich genug. Und ich wusste es.

Niederlage. Ohnmacht. Einsamkeit.

Zurück zu meinen Eltern zu gehen, fühlte sich mit Ende 30 als völlige Niederlage, Ohnmacht, Einsamkeit und einfach nur scheiße an – es war genau der Weg, den ich nicht gehen wollte. Ich schaute mir meinen Auftrag mit großen Widerständen an (ich hatte echt keine Wahl) und ließ mich über 5 Monate sehr eng begleiten. Jeden Tag hatte ich Kontakt zu meinem Coach, vor allem in meiner Schmerzphase. Ich kollabierte eines Nachts und zitterte am ganzen Körper, wo sich sehr wahrscheinlich Trauma löste, ich litt unter einer Gesichtsneuralgie – heftigste Nervenschmerzen in der rechten Gesichtshälfte – über 4 Wochen und durchlief eine Lungenentzündung (Infiltration im rechten Lungenflügel) und wandernde Beckenschmerzen. Holla die Waldfee! Genau, der Wald war neben meinen Eltern (und meinen Geschwistern) die wichtigste Ressource zu der Zeit (= Wurzelkraft). Und die Kerze, die ich jeden Abend für mich in meinen Räumen und manchmal in der Kirche anzündete (= göttliche Führung).

Ich machte Quantensprünge

Ich verstand vor allem eine essentielle Formel:
Schmerz + Widerstand = Leid
Schmerz + Neugierde = Heilung

Hinter allen körperlichen Symptomen kamen mir klare innere Bilder und die jeweiligen Aufträge dazu. Fleißig arbeitete ich die Themen mit meinem Coach ab, ich folgte den Hinweisen des Lebens. Meine Symptome milderten sich. Ich gab mir Zeit und lebte pure Hingabe an das Leben, was anderes war einfach nicht zielführend und somit sinnlos.

Ich blieb über Monate bei meinen Eltern, die mich einfach in ihren Alltag integrierten und mich genauso sein ließen. Das größte Geschenk in dieser enormen Transformationszeit. Ich machte Quantensprünge. Ich durchlief essentielle Prozesse, einige Seelenanteile kamen zurück und ich positionierte mich erneut in meiner Familie, in dem Haus meiner Kindheit – eine Position, die ich als Kind immer schon einnahm, aber dachte, das wäre nicht richtig.

Zurück an den Start – zurück ins Licht

Als das Licht im März zurückkam, stand ich gefühlt (wieder) auf meiner Startposition, an der Wurzel, spürte eine klare Positionierung und vermehrt innere Stabilität in mir aufsteigen. Das erste Mal verließ ich das Haus meiner Eltern, um eine Freundin in Hamburg zu besuchen. Ich merkte, dass ich weiterhin achtsam sein und ganz bewusst reisen durfte. Meine Reisemuskulatur hatte sich stark minimiert. In Hamburg an der Elbe mit einem Glas Wein sitzend wurde mir plötzlich bewusst: WTF! Wirklich what the fuck! Ich war in Kontakt mit der dunkelsten Seite des Lebens gekommen.

Erst Ende Juli war ich bereit, voll in die Welt zu treten. Ich erlebte eine 4-wöchige Reise in einem Flow völliger Leichtigkeit. Mir war klar, dass dieses Erleben das wahre Leben ist - so fühlt es sich an, wenn man den Weg der Bestimmung geht. Meine innere Stabilität verschaffte mir ein tieferes Vertrauen ins Leben und ich bin nach wie vor berührt über die Geschenke des Lebens, über die tiefe Herzverbindungen zu Menschen, die durch dieses Vertrauen und der Hingabe an die Lebendigkeit entstanden sind.

Zum Herbstanfang löste ich mich auch energetisch von meinem Elternhaus, nahm die kindlichen und Jugendlichen Anteile an die Hand und machte Platz für die reifen Abenteuer. Ich verstehe nun endlich auf allen Ebenen, was Erwachsensein eigentlich bedeutet. Und zwar: selbstverantwortlich, eigenmächtig, unabhängig. Das darf nun wirken, noch tiefer sinken und sich verselbstständigen. Ich habe starken Kontakt zu der Erlaubnis mich zu zeigen, ICH zu sein, authentisch zu sein, von der Tiefe meiner Wurzel aus das Leben zu gestalten - das ist pure Schöpferkraft. Und gleichzeitig spüre ich genau da die Angst vor Ablehnung, wenn ich mich in meiner vollen Präsenz, Größe, Individualität zeige. Die Angst darf da sein und ich werde nun ganz bewusst immer wieder durch sie durchtauchen und sie nicht wegschieben. Denn das einzige, was diese Gefühle aus der Tiefe wollen, ist einfach da sein zu dürfen.

Das Gold

Heute, exakt ein Jahr später, zum Erntedank, halte ich all die Gaben in meinen Händen – meine Ernte des letzten Jahres. Neben dem deutlichen Wachstum innerer Stabilität und somit von Resilienz und Selbstfürsorge, waberte in mir nur ein Schimmer von Qualitäten, die sich neu formiert hatten. Ich bat deswegen einige mir wichtige Menschen, meine Qualitäten und Gaben zu reflektieren. Ich war so baff, die Antworten zu hören:

„Eine Qualität, die mir ins Gesicht springt, ist Klarheit und der klare Blick für die Wahrheit.“
„Eine starke
Ankerqualität
„ Der
Sinn für das Schöne
„Ah ja ganz klar
Kriegerinnen-Energie und die Stärke, andere darin bestärken zu tun, was getan werden muss.“
ausgerichtet & fokussiert“
„enormes
Körperbewusstsein & feine Wahrnehmung“
mutig & entschlossen
inneres Leuchten
Anbindung & Bodenständigkeit
Verletzlichkeit. Weiblichkeit. Sinnlichkeit
Forscherinnengeist. Also Forschen nach und dranbleiben an dem, was wirklich wahr ist.“

Damit gehe ich würdevoll und demütig in die dunkle Jahreszeit. Gestärkt, begleitet, behütet. Hand in Hand mit der Liebe für das Leben. Mit dem Wissen darum, dass jedes Leuchten aus der Dunkelheit erwächst, wie wertvoll also die Schattenarbeit ist.

Je dunkler der Schatten, desto heller das Licht - und viceversa

Die innere Stabilität und das wachsende Bewusstsein helfen dabei, die Schatten gut zu surfen und immer weiter zu wachsen - sprich die beste Version des Selbst zu werden. Bewusstseinsarbeit verschafft Resilienz!

Katharina Frilling

coaching & facilitation

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Wahrhaftige Führungskraft

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