Natürliche Entfaltung

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Persönlichkeitsentwicklung ist ja ziemlich in. Der Coaching-Trend führt dazu, dass sich mehr Menschen in chaotischen oder krisenhaften Phasen früher begleiten lassen. Man traut sich auch eher zu sagen „Ich habe einen Coach“ statt „Ich mache eine Therapie“. Das scheint gesellschaftlich mehr anerkannt zu sein.

Ich möchte hier jetzt keinesfalls das therapeutische Setting als etwas Unschickliches oder Unangenehmes darstellen. Ich selbst habe 2013 eine einjährige Therapie in meinem Burnout gemacht, wo mein Weg zu mehr Achtsamkeit und Selbstfürsorge angefangen hat. Aber meine Erfahrung war, dass mich Menschen plötzlich anders anschauten, als ich das Geheimnis verriet. Zu dem Zeitpunkt hatte ich nicht die Kraft da drüberstehen, dass ich „schwach“ war und Hilfe brauchte (so war der Blick der Menschen darauf – auch von mir). Und es nicht erzählen zu können fühlte sich ziemlich scheiße an. Ich fühlte mich falsch. Scham at it’s best!

Hätte ich damals gewusst, dass es so etwas wie Coaching gibt, dass ich mich früher mit meinen Symptomen hätte begleiten lassen können, um dann nicht ins Burnout zu geraten, dann hätte ich den Mut gefasst und nicht gewartet, bis ich keinen Ausweg mehr gesehen habe. Dann hätte ich vielleicht sogar auch mit Stolz erzählt: „Ich leiste mir ein Coaching!“ Da hätte ich nämlich Selbstverantwortung behalten und es würde nicht wie Ohnmacht erscheinen.

Hätte hätte Fahrradkette - Das ist Vergangenheit und schon lange losgelassen. Meine Sichtweise ist eh, dass alles genauso passieren sollte. Seitdem bin auf dem Pfad zu mir selbst unterwegs und habe etliches in dem Achtsamkeitsfeld unternommen und erfahren.

Ich habe so viele schöne und unterschiedliche Menschen kennen gelernt, die sich für Wandel interessieren, das große Ganze sehen und sich mehr spüren und verbinden wollen. In dieser Blase zu sein hat einen Teil von mir total erblühen lassen. Und Gleichzeitig war da immer wieder so ein Gefühl von „Boh, da geht immer noch so viel mehr!“ und „Ich bin da noch nicht!“ Ich war auch hier im Optimierungsstress!

Gehöre ich noch dazu, wenn ich jetzt einfach mal bin?

Wann ist es stimmig, auch da auf den Pausenknopf zu drücken? Und wie geht das eigentlich? Ich hatte vor lauter Gesundheits-Optimierungsdruck ebenfalls meine Körpersignale überhört, wie damals kurz vor dem Burnout. Das selbe Muster in einem neuen Kleid, das erstmal viel schöner aussah und auch wie angegossen saß. Mich aber ebenso auf eine andere Art von mir weg brachte.

Tatsächlich haben mich meine Selbstständigkeit und die geringeren finanziellen Mittel dazu bewogen, genau zu überlegen, wo ich mein Geld lasse. Zusätzlich hat das Aufschlagen in meine Heimat zu einer Zeit, in der Isolation voll „im Trend“ war, mir eine Ruhephase, eigentlich Zwangspause, ermöglicht, wo endlich mal die Erlebnisse sinken, sich Altes lösen und sich Neues integrieren konnte. Ohne es zu merken hatte ich mich aus der Mainstream-Leistungsgesellschaft zurückgezogen, bin gegen den Strom geschwommen und dann in eine andere „Wir müssen jetzt schnell den Wandel gestalten“-Community geraten. Ups… auch unangenehm.

Es war erstmal genug, alleine das Stillsein hat ausgereicht. Da brauchte ich tatsächlich einen Coach, der mich daran erinnerte, dass ich kein Coaching brauchte.

Ich bin genug, ich brauche eine Pause. Das ist jetzt mein Commitment.

Persönlichkeitsentwicklung braucht auch und unbedingt die Möglichkeit der Entfaltung und des Platznehmens. Wie die Raupe zum Schmetterling wird. Da gibt es viele Stadien dazwischen und eine natürlich gewählte Zeit des Reifens.

Es braucht also keinen Selbstoptimierungswahn in dieser Welt, sondern Zeit für ein neugieriges Auf-Sich-Schauen und mehr Räume für natürliche Entfaltung sowie die Annahme vom Sein.

Und das dürfen wir immer wieder feiern! Uns selbst, die Erlaubnis, dass wir uns zuMuten wollen und den Mut zum Innehalten in dieser schnellen Welt haben.

Katharina Frilling

coaching & facilitation

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